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Essayistische Shortcuts

… sind in unregelmäßigen Abständen erscheinende Gedankenspiele, essayistische Bruchstücke und häufig der Beginn von etwas. Es sind künstlerische Versuche oder Versuchsanleitungen von Sichtweisen. Ohne Anspruch auf “Richtigkeit” geht es darum, dass sie ästhetisch und in sich stimmig sind. Sie zeigen, was und auf welche Weise etwas sieht oder gesehen wird.

Einfach runterscrollen — und dann viel Spaß beim Lesen! Wenn Du etwas kommentieren möchtest, Fragen oder Gedanken hast, schreibt mir gern an info@poetischeswissengo.com 🙂

Einige der hier eingefügten Zeichnungen sind auch als Kunstdrucke zu erhalten unter: https://poetischeswissengo.etsy.com

Für individuell angefertigte und originale Zeichnungen, kontaktiere mich gern direkt per Mail (info@poetischeswissengo.com)

(1) Denken, Schreiben, Poesie Zeichnen, 03.02.2023

(2) Körper Denken – Eine Darmphantasie, 10.02.2023 (Teil I)

(3) Körper Denken – Eine Darmphantasie, 13.02.2023 (Teil II)

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Denken, Schreiben, Poesie Zeichnen

Herzlich willkommen in meinem Blog! Mein erster Eintrag handelt von Nicht-Sprache… nämlich von meinen Zeichnungen, die unter anderem auch die Website schmücken, sie gliedern und Hand in Hand mit den Texten gehen; wie sie entstehen und was sie mit Denken, Poesie und Körpern zu tun haben …

Die Zeichnungen entstehen in Schreib- und Reflexionsprozessen: dann, wenn die Worte nicht mehr einfangen können, was noch zu denken ist. Wenn sich Dinge immer noch weiter denken, aber keine Sprache mehr dafür da ist. Wenn es Monate bräuchte, bis das, was gerade lebendig vorm inneren Auge steht, eine sprachliche Fassung annimmt — und der Gedanke in der Zwischenzeit längst schon hintenüber gekippt und von der mentalen Bildfläche verschwunden ist. Dann greife ich zu Buntstiften und versuche die Qualität des Gedankens zu erfassen, seine Farben, seine Wucht, Zartheit, Eleganz, Hilflosigkeit, Kraft und Zerbrechlichkeit: Nach einer Weile nehmen die Zeichnungen dann ihre eigene Dynamik an und entwickeln ihre Form.

Einige der auf der Website gezeigten Zeichnungen gibt es auch als Druck (mit je einer Auflage von 30 Stück). Wenn sie euch also etwas sehen lassen, was euch anspricht, wenn eine Zeichnung euch inspiriert, berührt, erfreut, verführt, bewegt oder ähnliches, könnt ihr sie gern in meinem Online-Shop erwerben: https://poetischeswissengo.etsy.com

Die farbintensiven Drucke sind mit dem Offsetdruckverfahren hergestellt und auf sehr hochwertigem GMUND Papier gedruckt. Es gibt verschiedene Motive und unterschiedliche Größen und Maße. Schaut’s euch an!

Falls die Art und Weise der Zeichnungen dich anspricht und du dir ein Original wünscht, mache ich auf Wunsch auch individuelle Zeichnungen. Kontaktiere mich gern dazu (info@poetischeswissengo.com). Diese Zeichnungen entstehen dann aus unserem Gespräch heraus und orientieren sich an dem, was du mir erzählst, was dich bewegt, was ich dazu wahrnehme oder denke. Zum Beispiel kannst du mir auch ein Wort geben, das dich gerade bewegt, wie Geburt oder Herz; oder du nennst vielleicht ein Organ, das sich gerade bei dir meldet.

A propos: Ich liebe Organe und finde auch, dass die Zeichnungen etwas Organisches haben. Aber das sieht jede*r Betrachter*in anders … Und um den Bogen zur Praxis Poetisches Wissen zu spannen: Je länger ich mich mit dem Denken befasse, umso mehr habe ich den Eindruck, dass unzählige unserer Gedanken nicht nur nicht originell (das sind sie eigentlich nie), sondern profan und simpel durch körperliche Bedingungen geschaffen und stimmungsabhängig sind. Vielleicht nicht unbedingt der Inhalt, aber die Struktur unseres Denkens, unserer Fragen und gewohnten Lösungsstrategien. Also, nicht: „ich denke und dem folgt mein Körper“, sondern: „Mein Körper denkt mich“. Meine Organe kreieren meine Gedanken.

Wenn also irgendwann mein Denken (mein „Möchte-gern-Denken“) wieder mal an seine Grenzen kommt und ihm nur noch Zeichnung und Plastizität Ausdruck verschaffen — und dann eine gezeichnete organische Struktur herauskommt, die, sagen wir mal, tendenziell an eine Bauchspeicheldrüse erinnert: Dann war es womöglich genau sie, die das Gedankengeblase initiiert und inspiriert hat.

However. Genießt die Bilder, ohne viel Worte. Und danke fürs Lesen!

Freitag, 03.02.2023

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Körper Denken – Eine Darmphantasie (Teil I)

Körper denken – aus dezidiert unmedizinischer Sicht. Hier und dort hört man vom Darm als dem zweiten Gehirn, dem Bauchgehirn. Sicher nicht nur wegen der ähnlichen äußeren Form, einem komplex in sich gewundenen, verschlungenen Labyrinth: Eine lange, dünne Schlange, die sich verdichtet auf engem Raum zusammenfaltet. Gehirn und Darm sind über unzählige Nervenfasern miteinander verbunden, kommunizieren unentwegt und beeinflussen gegenseitig ihre Wachheit/Trägheit, Aktivität oder auch Stimmung. Spannend finde ich am Darm weniger seine äußere Ähnlichkeit mit dem Gehirn. Interessant finde ich, dass seine Tätigkeit dem entspricht oder dem ähnlich ist, was Aufgabe des Verstandes ist. Er analysiert und nimmt detailliert auseinander, was nahrhaft ist; er unterscheidet, was dem Körper dient und was ausgeschieden wird.

Bis in kleinste Teile und Elemente hinein erforscht und prüft das Organ, was von der Außenwelt per Essen ins Innere eingeladen wurde. Und mehr: Das Innen verinnerlicht und absorbiert hier (erst) das Außen, buchstäblich zieht es sich vollkommen hingebungsvoll die äußeren Eindrücke rein. Die Verarbeitung geschieht, indem das Hineingelassene immer wieder eingestülpte Windungen und Hautgrenzen, also innere Häute, Schranken und Grenzen, passiert. Als ob der Vorgang des Essens, der ein Vorgang der Passage von Außen nach Innen ist, im Inneren unzählige Male wiederholt wird. Wenn und nachdem die Begegnung von Innen und Außen durchgearbeitet ist, findet im Innersten die Einverleibung statt und das Außen, Fremde, Andere, die Welt – und das, was an ihr nahrhaft ist – wird integriert: diese Integration füttert und stärkt den Körper, ermöglicht sein Gedeihen, seine Bewegung und Kraft. Bin ich per se nicht bereit, fremde Eindrücke zu verdauen, aus welchen guten Gründen auch immer, und lasse ich nicht zu, dass meine inneren Grenzhäute zu Orten der Passage und des Übergangs werden, verstelle ich mir die Wahl zwischen Nährendem und Restmüll; zwischen was meins ist/wird und was ich zurückgebe oder stehen lasse. Eindrücke verarbeiten, differenzieren, beobachten, Unterscheidungen treffen, passieren und vorbeiziehen lassen, was nicht nährt: das sind die Funktionsweisen des Darms und des Verdauungsprozesses. Welche Fragen ergeben sich von hier aus in Bezug auf das Gehirn oder auf die Beschreibung und Kapazität des Verstands?

Freitag, 10.02.2023

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Körper Denken – Eine Darmphantasie (Teil II)

Lange, bevor der Mensch denken kann oder ein Bewusstsein dafür entwickelt, macht er Denken. Im Bauch trifft er regelrecht binäre Entscheidungen: was ist gut, was ist schlecht für mich, was kommt rein, was nicht, ja, nein, go, stop. 010100110110. Die Sprache der Programmierung. Und lange vor den Verarbeitungsprozessen im Gehirn beginnt der Verdauungsprozess schon sehr nah am Gehirn, im Mund und zwischen den Zähnen. Im Darm findet, vor allem gegen Ende seiner Windungen dann schließlich etwas Magisches statt. Zunächst die Kompost-Kreation im Eigenheim: es wird wirklich alles Beste rausgeholt und dann der Rest abgegeben. Und der Rest, der für uns tabu und natürlich ungeniessbar ist, das Ende, das Nichts, unbrauchbarer Abfall, stinkender Müll, nichts als Vergorenes und Verstorbenes: Es ist der Kompost für andere Organismen. Nährstoff für gute Erde. Ihre gut gediehenen Früchte werden wir wieder genießen… Im Darm geht also nicht nur brillant klare Analyse ab, sondern es findet sich dort auch tiefes Wissen um Zyklen, Regeneration, Einbindung in größere Kreisläufe, die weit über die Versorgung des einzelnen Körpers hinausgehen …

… Ist unser Bauch am Ende die gekonntere, geübtere und weisere Denkerin? Und wieder: Welche Fragen an unser Denken lassen sich stellen im Angesicht der Darmgenialität, die sich mit Metaphern mentaler Aktivität umschreiben lässt? Wirkt sich diese Perspektive nicht ziemlich relativierend auf den Stellenwert, Status und die Kapazitäten des Verstandes aus? Vor allem, wenn man an alltägliche Verdauungsprobleme denkt – Unverträglichkeiten, Verstopfung, Überfüllung, Allergien oder gleich das hastige, unbesehene Durchwinken um den Preis eines hohen Flüssigkeitsverlust … – oder an chronischen Nährstoffmangel, den zunehmenden Verlust an Diversität (der Darmflora, aber ja!) und vieles Alltägliches mehr.

Übersetzen wir die Probleme unseres primären Analyse-Apparats zurück und übertragen wir die Metaphern diesmal auf geistige Zustände. Funktioniert nicht mehr unsere angeborene Fähigkeit, äußere Eindrücke zu verarbeiten und sich nach genauerer Untersuchung sogar von ihnen zu nähren, gibt es keine tatsächliche Begegnung. Weder eine oberflächliche, großmütig tolerante, gemeinschaftliche oder freundschaftliche, noch die intime. Ohne Reflexionsfähigkeit identifiziere ich, was anders oder unbekannt erscheint, als Angriff, Gefahr, Verderb oder als etwas Unansehnliches im Sinne von: lieber wegschauen und durchwinken. So steht die Welt vor uns und wir sehen sie nicht, pflegen nicht den Kontakt mit ihr, geben ihr keinen Einlass. Und, so scheint es, wir sind selbst auch kein Teil mehr der Welt.

Vom Darm aus ist ein anderer Blick auf das Denken zu gewinnen: Denken hat mit Kontakt zu tun, mit der Verarbeitung von Einflüssen und ihrer Verinnerlichung. Nicht nur im Sinne der Inspiration und dessen, was wir klassisch Austausch nennen. Das Denken als solches, der Prozess des „Denken-Tuns“ ist ein (zeitaufwändiger und energiezehrender) Vorgang der Passage, der wiederholten Überquerung, des Transferierens und Transformierens … mit ungewissem Ausgang. Es braucht zum Denken Mut. Der Darm und unser Körper hat diesen Mut (in den meisten Fällen) von Anfang an.

Montag,13.02.2023